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2.0.13 Optimierungsgrenzen

Erstellt: September 2009



Heute ist Sonntag und ich setzte mich vor meinen PC, um diesen Artikel zu schreiben. Als ich auf meinen Bildschirm sah, hatte ich auch gleich den Anfang der Geschichte gefunden:

Die Sichtfläche (früher: "Mattscheibe") war völlig verstaubt. Also holte ich ein Brillenputztuch und begann an einer Ecke, die Sichtfläche  zu säubern. Natürlich ist das Material der "Mattscheibe" inzwischen aus Kunststoff und nicht mehr aus Glas, wie es früher bei den Fernsehern der Fall war.

Also wollte mir die Reinigung nicht so recht gelingen.

Ich putzte und putze, und fummelte und fummelte und immer wieder waren einige Staubkörnchen zurück geblieben.

Nach einer Weile erkannte ich dann, dass ich vor lauter Putzerei vielleicht gar nicht dazu kommen würde, diesen Artikel zu beginnen.

Also nahm ich aus dem Lappenkorb ein altes, ausgesondertes T-Shirt und wische einfach großflächg den Staub ab.

Hätte ich das gleich so gemacht, so wäre dieser Artikel bereits fertig gestellt gewesen.

Aber was kann man daraus lernen ?

==> Man soll nichts übertreiben !

Auch in anderen Bereichen kann es sehr wichtig sein, nicht zwingend 100% zu verlangen. So ist es beispielsweise bei der Konstruktion von technischen Teilen gar nicht möglich, die Maße auf 100% genau zu bauen, weil die Einzelteile dann nicht mehr zusammenfügbar sind. Es sind immer zumindest einige  Tausendstel Toleranz nötig, um  verschiedene Bauteile oder Baugruppen zusammenfügen zu können.

Dabei dürfen sich die Toleranzen natürlich nicht positiv überschneiden, sondern es muss ein wenig "Luft" entstehen, die sich zwischen den Bauteilen befindet. Diese Luft ergibt sich aus den beiden Toleranzen der im einfachsten Fall zwei zusammengefügten Teilen. Wenn beide Teile auf 100% Maß gefertigt wurden (ich behaupt übrigens, dass das unmöglich ist, letztlich bleibt ein Atom Toleranz übrig), so werden sie klemmen und sich vielleicht beim Zusammenbau verbiegen oder verkeilen oder sie werden dabei beschädigt.



Aber nicht nur in der Technik ist es so, dass 100% schlecht sein können. Nehmen wir einmal an, man hat eine Maschine, an der vier Personen arbeiten. Nehmen wir an, diese Maschine produziert Gummistopfen und die vier Personen müssen diese Maschine bedienen, bestücken und die Stopfen verpacken.

Nun ist es sicherlich so, dass diese Maschine irgendwo eine 100% Menge hat, die sie ausbringen kann. Sagen wir einmal, das sind 1000 Gummistopfen pro Stunde.

Gut, wenn alle Personen guter Dinge sind und die Maschine auch einwandfrei funktioniert, mag es sein, dass diese 1000 Gummistopfen produzierbar sind.

Aber die Maschine hat Verschleiß und die daran arbeitenden Personen ebenfalls.

Die Maschine muss dann gewartet und repariert werden und die Personen brauchen eine regelmäßige Pause.

Wenn diese Maschine jetzt aber in drei Schichten 24 Stunden, also rund um die Uhr, so ist es recht schwierig, die Wartung und die Reparaturen durchzuführen.

Dann werden also  Störungen auftreten und schon sind die 1000 Stück Gummistopfen pro Stunde nicht mehr erreichbar.

Viele mögen jetzt auf die Idee kommen:

"Gut, dann nehmen wir eben die Pausen dazu, um auf die 1000 Stück zu kommen."

Das aber verringert die Möglichkeit der Wartung weiter und vergrößert gleichzeitig den Verschleiß an Mensch und Maschine.

Daraufhin werden dann also noch weniger Gummitstopfen pro Stunde produziert werden, weil  der Verschleiß der Maschine größer wird und die ersten Personen krank werden.

Dadurch aber werden die verbleibenden Personen noch weiter belastet, weil sie die Arbeit der kranken Personen mit machen müssen.

Dann werden vielleicht noch mehr Personen krank und die Produktivität wird noch geringer.

Man hätte also auf diese Weise keine vernünftige Regelung, sondern einen Teufelskreis, nämlich eine Mitkopplung zu Ungunsten der Produktivität in Gang gesetzt, die sich erfahrungsgemäß bis hinunter zu nur noch 80 % Produktivität ziehen kann.



Man sieht also:

Durch zu hohe Erwartungen kann man nicht nur eine Maschine kaputt machen, sondern vor allem auch Menschen.

Was wäre denn jetzt, wenn man anstatt der möglichen 100% mit  1000 Teilen pro Stunde nur 90% mit  900 Teilen pro Stunde als Standard ansetzen würde ?

  • Es wäre nun genug "Luft", um Wartungen und Reparaturen ausführen zu können.
  • Die arbeitenden Personen hätten ihre regelmäßigen Pausen.

Dadurch aber blieben die Personen gesund und die Maschine wäre besser gewartet und stets sorgfältig repariert.

Man wäre also in der Lage, die 90% über weite Strecken gleichmäßig zu erbringen.

Niemand sollte sich aber der Erwartung hingeben, dieser Wert würde nicht schwanken.

Wenn man die Erträge der Gummistopfenmaschine einmal überlängere Zeit in einem Zeit-Stückzahl-Diagramm erfassen würde, so würde man erkennen, dass sich nach einiger Zeit eine leichte Sinuswelle um die 90% Produktivität herum einstellt.

Wie kommt das ?

Nun, an der Maschine arbeiten Menschen aus Fleisch und Blut.

Wenn die Maschine also gerade einmal z.B. in einer 95% -Phase läuft, so kann das sehr belastend für die Personen sein, die technischen Fehler an der Maschine häufen sich und die Produktivität sinkt. Dann aber fällt die Produktivität beispielsweise auf etwa 85% ab. Dies wiederum kann genutzt werden, um eine stärkere Watung und sorgfältigere Reparatur durchzuführen. In dieser "Produktivitäts-Tiefphase" aber erholen sich die an der Maschine arbeitenden Menschen wieder und die Produktivität steigt wieder auf 90%.

Dann klappt aber alles sehr gut und die Menschen an der Maschine sind sehr gut motiviert und so steigt die Produktivität von ganz allein auf etwa 95%.

Das belastet aber wiederum Mensch und Maschine und so beginnt der neue Sinus-Zyklus.



Merke daher:

Wer bei so etwas auf starre 100%-Werte setzt, macht damit Mensch und Maschine nachhaltig krank und defekt.

Auch im Haushalt zu Hause kann es oft besser sein, auch einmal den Fußboden ungefegt zu belassen, und das Geschirr einfach einmal einen Tag lang stehen zu lassen. Auch in diesem Umfeld gilt die magische 90%-Grenze der Produktivität.

Wer zuhause alles perfekt haben möchte, der benötigt zu viel Zeit dazu. Diese Zeit geht von der Zeit der Erholung ab, diem an sich stets regelmäßig gönnen sollte.

Gewöhnt man sich aber an den 90%-Gedanken, so erhält man als Dank dafür Zeit.

==> Lebenszeit.

Abschließend noch einmal ein paar Grafiken, wie es grafisch aussehen kann,
wenn man 90%-Strukturen visualisieren möchte:








Die "10%-Stückchen" ==> Pure Gesundheit der Menschen.

Man kann aber auch noch andere Dinge ablesen. So kann man beispielsweise betrachten, wie sich eige Gegenkopplung ziwschen Ausbringungs-Ist-Größe und Wartungs-/Reparatur-Ist-Größe ergibt:






  1. 100% mögliche technische Ausbringung
  2. 90% davon = praktikable Sollgröße
  3. Beispiel 10% Sollgröße der Wartungs- und Reparaturarbeiten
  4. Sich nach eingier Zeit einstellender Sinus der Ist-Ausbringung
  5. Sich ergebende Gegenkopplung als Minus-Sinus (Wartung & Reparatur)
  6. Max. Ausbringung ==> min. Wartung / Reparatur
  7. Ausbringung = soll ==> Wartung / Reparatur = Standard
  8. Min. Ausbringung ==> max Wartung / Reparatur
So kann sich also eine Beispiel-Gummistopfen-Maschine mit menschlichen Bedienern selber ausregeln. Wichtig dafür ist die richtige Wahl des vorgegebenen Ausbringungs-Sollwertes, damit sich überhaupt ein Sinus der Ausbringung einstellen kann.

Wer dort also stets die 100% verlangt, der versteht wenig von sich selbst regelnden Systemen, denn es würde die obere Halbwelle und die damit verbundene positive Motivation aller Beteiligten abgeschnitten.

Die Folgen kennen wir alle Beispielsweise als Stress ( im einfachsten Fall).

Wie wir auch sehen,  ergibt sich in der Wartung und Reparatur ganz automatisch die nötige Gegenkopplung, damit der Ausbringungs-Ist-Wert nicht bis in Bodenlose abrutscht.

Wenn nun also Ausbringungs-Soll-Wert und Wartungs-/Reparatur-Soll-Wert geschickt gewählt werden, was durchaus in mehreren Schritten erfolgen kann ( humane Optimierung ), dann wird sich die Anlage tatsächlich um den Ausbringungs-Sollwert einschwingen und lange Zeit stabil laufen.

Klar ist auch, das die Sollwerte je nach Maschinenart und Anzahl der Bediener / Instanhalter schwanken können. Aber die Kunst der Optimierung liegt eben darin, den Einschwingpunkt des Systems ("Gummistpfenmaschine mit Menschen") zu finden.

Das bedarf viel Fingerspitzengefühl, anderenfalls können Krankheit der Bediener und teure technische Störungen die Folge sein.



Fragen für die Berufsschüler, 3. Lehrjahr:


  • Warum ergibt sich der "Minus-Sinus" der Instandhaltung fast automatisch ?
  • Wie hängen Ausbringungs-ISTwert  und Instandhaltung-ISTwert zusammen ?
  • Warum sollte man den Ausbringungs-ISTwert nicht mit 100% ansetzen ?



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Danke füs Interesse,






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