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2.0.4 Nicht bis an die Grenze

Erstellt: Sommer 2005


In dem Artikel "Wir regeln das schon.." konntest du lesen, was eine Regelung ist und was sie von einer Steuerung unterscheidet.

Aber wenn man nun richtig regeln will so muss man noch zusätzlich einige Dinge beachten:

Wenn eine Störgröße in einer zu regelnden Größe auftritt (etwa die Temperatur einer Heizung wird zu hoch, weil die Sonne begonnen hat zu scheinen), so muss man natürlich das Stellglied so einstellen dass der Sollwert wieder eingehalten wird (in unserem Beispiel muss die Heizung so lange ausgeschaltet werden, bis die Zimmertemperatur wieder den eingestellten Wert erreicht hat).

Bei unserer Beispiel-Heizung ist das ja noch recht einfach, weil immer nur ein- oder aus geschaltet wird. Das folgende Bild soll einmal den Regelungsprozess verdeutlichen:




Du siehst also unsere Zimmertemperatur in Blau als gezackte Fläche. Die dünne schwarze Linie mit der "3" ist unsere Solltemperatur, die es möglichst einzuhalten gilt. Die dicke braune Linie mit der "1" ist unsere Maximaltemperatur, bei der der Heizlüfter aus geschaltet wird.  Nach dem Ausschalten sinkt  dann immer die  Zimmertemperatur ab, und zwar so lange, bis unsere Minimaltemperatur erreicht ist.  Dann schaltet unser Heizlüfter wieder ein  und so weiter. 
Der Abstand zwischen der Linie "1" und "2" heißt übrigens "Hysterese".  Und bezeichnet hier den Temperatur-Unterschied zwischen Einschalt- und Ausschaltpunkt.

Wenn jetzt unsere gelbe Sonneneinstrahlung stärker wird und unser Zimmer zusätzlich aufwärmt, so reagiert diese Regelung dadurch, dass der Heizlüfter einfach ausgeschaltet bleibt, bis die Temperatur wieder den Einschaltpunkt erreicht hat.
Du siehst als Nebeneffekt, dass dadurch eine menge Strom gespart werden kann, was der rote Balken mit der "4" verdeutlichen soll. Auf der Länge des roten Balkens wird kein Strom benötigt.
Solch eine Regelung mit einem  Ausschaltpunkt und einem Einschaltpunkt nennt man "Zweipunkt-Regler", weil  die zu regelnde Größe normalerweise immer zwischen diesen beiden Punkten hin und her pendelt.

Wie wir aber an unserem Beispiel sehen, kann ein solcher Regler aber nicht richtig "gegensteuern", wenn z.B. die Sonneneinstrahlung zu groß wird. Wir haben ja keinen Kühler mit in unser Zimmer eingebaut, sondern nur eine Heizung.

Eine "richtige" Regelung müsste also für unser Zimmer noch eine Kühlung vorsehen, wenn die Sonne zu stark in das Zimmer scheint.

Um das Ganze einmal anders zu verdeutlichen, nehmen wir auch mal ein anderes Beispiel.

Wir fahren mit einem Auto und wollen eine bestimmte Geschwindigkeit einhalten. Wenn wir zu langsam sind, treten wir auf das Gaspedal und wenn wir zu schnell sind treten wir auf die Bremse.
Dadurch ist es uns möglich, eine konstante Geschwindigkeit einzuhalten, selbst wenn es bergauf und bergab geht.

Das soll einmal die zweite Grafik verdeutlichen:



Die dicke blaue Linie ist unser Sollwert, also die gewünschte Geschwindigkeit. Wenn es nun bergauf geht und das Auto droht, langsamer zu werden, so geben wir Gas , was an Punkt "2" passiert.
Geht es nun aber bergab und das Auto wird immer schneller, so müssen wir bremsen, um unsere Geschwindigkeit einhalten zu können. Das Passiert hier an Punkt "3".

Wir sehen hier, dass unsere "Aktion" mal positiv und mal negativ ist.
Einmal wird dem Auto Energie in Form von Benzin hinzugeführt und einmal entzogen in Form von Wärme an den Bremsscheiben.

Jetzt ist es aber so, dass wir natürlich nicht beliebig viel Gas geben oder beliebig stark bremsen können. Unsere Bremse und unser Gaspedal haben jeweils eine maximale Wirkung, nämlich "Vollgas" und "Vollbremsung".

Darum sollte man stets so fahren, dass man noch genügend Abstand bis zu diesen beiden Maximal-Einstellungen hat. Denn wer schon mit Vollgas unterwegs ist, kann schwerlich jemanden überholen,  zu diesem Vorgang wäre nämlich noch mehr "Gas" nötig, was aber nicht möglich wäre. Genau so ist es mit der Bremse. Wer so schnell unterwegs ist, das stets eine Vollbremsung nötig ist, kann nicht noch mehr bremsen, wenn ein plötzliches Hindernis oder ein langsam fahrendes Fahrzeug "im Wege" ist.

Man muss also stets immer zu den Maximalwerten einen Abstand halten, also beispielsweise nur mit 70% vom Vollgas fahren, bzw. so fahren, dass nur 70% der Bremsleistung nötig ist.

  • Somit hat man dann noch Spielraum, wenn außerordentliche Verhältnisse auftreten und man die vollen 100 % des Gaspedals oder der Bremse benötigt.

Diesen Spielraum zu den "Maximal-Werten" nennt man "Regelreserve", auf die man in keiner Regelung verzichten sollte, um auf Sonder- oder Gefahrensituationen noch reagieren zu können.

Wer also seinen Spielraum stets versucht, zu 100 % auszunutzen und alles aus seinem technischen Gerät heraus holt, oder alles zu 100 % einer Gesellschaft abverlangt, der muss sich nicht wundern, wenn er in Krisen-Situationen "Schiffbruch"  erleidet, weil er sich nicht genügend "Regelungs-Spielraum", also Regelreserve gelassen hat.

In vielen sehr guten technischen Geräten kann man auf Knopfdruck diese Regelreserve frei geben, wenn es die Situation erfordert. Man kann dann auf ungewöhnliche äußere Umstände noch gut reagieren, in dem man erst in solchen Situationen die vollen 100 % ausnutzt.

Bei einer Gesellschaft, Gruppe oder Familie gibt es einen solchen Knopf nicht, man sollte das bereits vorher berücksichtigen und nicht 100 % Leistung verlangen, sondern eher die 70%, die auch unserem Auto-Beispiel gut getan haben.

In diesem Sinne,

immer schön behutsam regeln,




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